Stellungnahme zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) sowie anderer Vorschriften (Stand 24. April 2015) der Bundesregierung (Bearbeitungsstand: 24.04.2015 16:17 Uhr)
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu dem mit Schreiben vom 29. April 2015 übermittelten o. g. Gesetzentwurf gibt der Bundesverband der beamteten Tierärzte (BbT) folgende Stellungnahme ab. Die Stellungnahme greift einzelne Regelungen des Gesetzentwurfes der Bundesregierung (Bearbeitungsstand 24.04.2015) auf und folgt deren Gliederung.
Zu Artikel 1
Zu Nummer 2.
§ 10 LFGB erhält im vorliegenden Entwurf weiterhin keine Anpassung hinsichtlich der Problematik Arzneimittelrückstände in Lebensmitteln tierischer Herkunft und nationaler Rückstandskontrollplan. Es wird dringend um eine Ergänzung des § 10 Abs. 1 und 3 LFGB gebeten. Auch in den letzten Änderungen hat es im LFGB unverändert noch keine Anpassung an das „alte“ Recht hinsichtlich der Ahndungmöglichkeiten bei vorhandenen Rückständen in Lebensmitteln – insbesondere von Arzneimittelrückständen im Fleisch – gegeben. Gemäß § 10 Abs.1 Satz ist es verboten, vom Tier gewonnene Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, wenn in oder auf ihnen Stoffe mit pharmakologischer Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhanden sind. Ausnahmen hierfür werden folgend in Satz 2 geregelt – u.a. wenn festgesetzte Rückstandshöchstmengen der EG-VO 37/2010 unterschritten werden. Da durch die geregelte Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 2 LFGB das Schlachten zum Gewinnen bzw. Herstellen gehört, ist somit eine Lebendtierabgabe seitens eines Erzeugerbetriebes zwecks Schlachtung, bei dem nachfolgend Arzneimittelrückstände mit Überschreitung von festgesetzten Höchstmengen vorliegen, kein Inverkehrbringen von Lebensmitteln gemäß § 3 Nr.1 LFGB. Ich schlage eine Ergänzung des § 3 Abs.1 Satz 1 dahingehend vor, dass ein neuer zweiter Satz mit folgendem Wortlaut angefügt wird: „Satz 2: Es ist ferner verboten, lebende Tiere im Sinne des § 4 Abs.1 Nr.1 der Schlachtung zuzuführen, wenn in oder auf ihnen Stoffe mit pharmakologischer Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhanden sind.“
Der jetzige Satz 2 würde zu Satz 3 und müsste dann entsprechend ergänzt werden: „Satz 1 und Satz 2 gelten nicht, wenn ...“.
Ferner wird für die Ergänzung des § 3 Abs.3 LFGB dahingehend plädiert, dass eine neue Nr.1 eingefügt wird: „1. diese Tiere nur der Schlachtung zugeführt werden...“ und die jetzigen Nr. 1 und 2 werden zu Nr. 2 und 3. Auch im Zusammenhang mit § 40a LFGB werden Problematiken gesehen. Im Falle einer Grenzwertüberschreitung bei Arzneimittelrückständen von Proben in Handelsbetrieben bzw. Schlachtbetrieben sind folgend diese Betriebe zu veröffentlichen und nicht die tatsächlich verursachenden landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe. Die Schlachtbetriebe werden sich auch nicht gegen diesen möglichen Arzneimitteleintrag ausreichend im Vorfeld schützen können. Es werden also Betriebe veröffentlicht werden müssen, die in keiner Weise für den Arzneimitteleintrag verantwortlich sind. Folglich sind entsprechende Schadenersatzansprüche seitens dieser Betriebe gegen die veröffentlichende Behörde in erheblichem Umfange zu erwarten.
Des Weiteren wird insbesondere im Bereich der Schlachtbetriebe auch die Rückverfolgung des in Verkehr gebrachten Fleisches bis hin zum Zerlege- und Verarbeitungsbetrieb erforderlich sein, um einen evtl. erforderlichen entsprechenden Rückruf zu realisieren. Auslöser hierfür ist die Tatsache, dass – insbesondere die amtlichen Proben für den nationalen Rückstandskontrollplan (NRKP) – als Stichprobe genommen werden. Da die amtlichen Untersuchungsergebnisse jedoch nicht zeitnah vorliegen, werden die Schlachttiere ohne Abwarten dieser Untersuchungsergebnisse bei Fehlen weiterer Beanstandungsgründe amtlich für das Inverkehrbringen als Lebensmittel freigegeben. Anzumerken sei, dass auch eine evtl. Regelung hinsichtlich einer vorläufigen Beschlagnahme der amtlich beprobten Schlachttiere / Lebensmittel bis zum Vorliegen der amtlichen Untersuchungsergebnisse keinen Sinn machen wird, da diese Untersuchungsergebnisse in aller Regel stets erst nach Ablauf jeglicher Haltbarkeit des Lebensmittels vorliegen werden. Auch deswegen sind weitere entsprechende Schadenersatzansprüche seitens dieser betroffenen Betriebe gegen die veröffentlichende Behörde in erheblichem Umfange zu erwarten.
Zu Nummer 9.
Die Zusammenführung der Daten der Länder, die sie im Rahmen der Überwachung gewonnen haben, in einer gemeinsamen Datenbank, ist eine richtungsweisende Vorschrift und diese wird ausdrücklich unterstützt. Der globale Futter- und Lebensmittelmarkt erfordert auch ein adäquates Informationsmanagement bei den Behörden. Die Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung aus Gründen des Datenschutzes sollte kritisch geprüft werden. Insbesondere auf dem Gebiet der amtlichen Proben besteht ein erhebliches Einsparpotenzial. Unkoordinierte Mehrfachuntersuchungen können mit einer Klardatenspeicherung minimiert werden, was zu einer erheblichen Reduzierung der Kosten sowohl für die Probenentnahme als auch für die Untersuchung führt ohne Auswirkung auf die Lebensmittelsicherheit.
Zu Nummer 10.
Die Ermittlung des Diensteanbieters nach § 2a Telemediengesetz und Anhörung des Herstellers oder Inverkehrbringers, dem Dienste durch den Diensteanbieter zur Verfügung gestellt werden, verursacht bei der Verwaltungsbehörde Verwaltungsmehraufwand (Erfüllungsaufwand). Da beim BVL ohnehin relevante Meldungen nach Art. 50 der VO (EG) Nr. 178/2002 zusammenlaufen, sollte zur Vermeidung von Aufwand der Datenübermittlung, dort die nach § 38 b (3) LFGB mögliche gemeinsame Stelle der Bundesländer eingerichtet werden.
Zu Nummer 12.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Veröffentlichungspflicht nach § 40 Abs. 1a LFGB neu gefasst wurde, da die ursprüngliche Fassung zu Bedenken verschiedener Oberverwaltungsgerichte geführt hatte und letztlich die Regelung in den allermeisten Bundesländern außer Vollzug gesetzt werden musste. Die Überführung der Regelung in einen neuen § 40a erhöht die Übersichtlichkeit. Damit kommt eine deutliche Unterscheidung von Warnung und Information der Öffentlichkeit zum Ausdruck. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass mit der Neuregelung der Information der Öffentlichkeit durch § 40a LFGB eine verfassungsrechtlich akzeptable Rechtsnorm geschaffen wurde. Es werden mit dieser Norm erneut präventive und repressive Zwecke verfolgt. Die geltenden Vorschriften lassen aus unserer Sicht vor rechtskräftigem Abschluss eines Verfahrens keine Veröffentlichung zu.
In § 40a Abs. 1 Satz 1 LFGB sollte klar zum Ausdruck kommen, ob die (mindestens) zwei unabhängigen Untersuchungen von unterschiedlichen Stellen vorgenommen werden müssen oder ggf. auch von einer Stelle vorgenommen werden können. Die derzeitige Untersuchungspraxis sieht bei relevanten Befunden immer eine weitere unabhängige Untersuchung in einer staatlichen Untersuchungseinrichtung vor. Sollte mit der unterschiedlichen Stelle ein weiteres akkreditiertes Labor gemeint sein, so sind auch die Probenahmevorschriften zu ändern und die Untersuchungszeiten werden erheblich länger sein. Folgerichtig sind auch höhere Kosten zu erwarten. Die derzeitige Formulierung lässt durch den Plural „von Stellen“ die erstgenannte Lesart wahrscheinlich erscheinen. Damit würde auch ein erhöhter Erfüllungsaufwand entstehen. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird derzeit auf diese Regelung nicht Bezug genommen. Eine konkrete Auslegung ist erforderlich. Es ist erneut eine verschuldensunabhängige Information der Öffentlichkeit vorgesehen, was einem Prangereffekt gleich kommt.
Bei Überschreitungen von Höchstgehalten, Höchstmengen oder Grenzwerten oder der Nachweis nicht zulässiger Stoffe haben Marktbeteiligte auf nachgeordneten Stufen der Lebensmittelkette, die derartige Erzeugnisse lediglich handeln oder innerhalb Ihrer Betriebsstätte verbrauchen, in praxi präventiv meisten Falls keine Chance, derartige Abweichungen zu erkennen. Die kritisierte Bußgeldschwelle in Höhe von 350 € wurde ebenfalls beibehalten. Dieser Zahlenwert ist willkürlich festgelegt und lässt keine objektive Bemessungsgrundlage erkennen. Einen bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog gibt es bislang nicht und damit ist eine bundeseinheitliche Vollzugspraxis nicht gegeben.
Die Regelung des § 40a Abs. 2 LFGB eröffnet der Behörde die Möglichkeit einer Ermessensausübung bei der Entscheidung zur Veröffentlichung, was jedoch an die veröffentlichenden Verwaltungsbehörden hohe Anforderungen stellen wird. Nach der vorliegenden Fassung kann die zuständige Behörde von der Information der Öffentlichkeit nach § 40a Abs. 1 LFGB absehen, wenn die Information eine unbillige Härte für den betroffenen Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer darstellen würde. Das bedeutet konkret, dass die Behörde eine Prognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen der Veröffentlichung erarbeiten muss und auf dieser dann eine Entscheidung trifft, Veröffentlichung JA oder NEIN.
In der kurzen Begründung zum Gesetzentwurf wurde für Härtefälle beispielhaft eine Existenzgefährdung des betroffenen Unternehmens angeführt. Welche konkreten Kriterien zur Prüfung der unbilligen Härte von der Behörde herangezogen werden sollen, wird nicht erwähnt. Aus Sicht der veröffentlichenden Behörde ist diese Härtefallregelung in der praktischen Umsetzung sehr prüfaufwendig. Letztlich wird dem Unternehmer auch die Möglichkeit zu Rechtsschutzmaßnahmen erteilt. Die Reputation des Lebensmittelunternehmers am Markt wird mit dieser Verwaltungsentscheidung ganz maßgeblich beeinflusst.
Grundlage der Prüfung ist neben dem zu veröffentlichenden Sachverhalt, die mögliche Verwendung der Information durch die Öffentlichkeit und schlussendlich die vermutete Wirkung auf das Unternehmen. Einzubeziehen sind dabei sowohl Verbraucher, die ihre Kaufentscheidung direkt von etwaigen veröffentlichten Verstößen abhängig machen, als auch Multiplikatoren der Veröffentlichung von Verstößen, wie Medien einschließlich sozialer Netzwerke, NGO´s und Wettbewerber. Die Multiplikatoren erschweren die Prognose der Behörde ganz erheblich bzw. machen eine Prognose mit hinreichender Sicherheit unmöglich.
Eine Aussage über mögliche Auswirkungen auf das Unternehmen erfordert Kenntnisse über die Unternehmensstruktur, die aktuelle wirtschaftliche Lage usw. Eine Existenzgefährdung bzw. eine Existenzvernichtung des Unternehmens ist in keinem Fall erklärtes Ziel der Information der Öffentlichkeit und ist deshalb durch die Behörde nicht billigend in Kauf zu nehmen. Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Behörde nicht veröffentlichen darf, wenn zu befürchten ist, dass die Veröffentlichung bereits schon zu einer Existenzgefährdung führen kann. Insoweit darf vermutet werden, dass die Behörde mit der vorliegenden Regelung eher nur ausnahmsweise veröffentlicht und nicht im Einzelfall von der Veröffentlichung absieht.
Folgende Beispiele sollen die Argumentation untermauern: Die Information von Unterschreitungen von Mindest- und die Überschreitungen von Höchstwerten wird die Existenz von Unternehmen im Regelfall nicht gefährden. Wird jedoch über einen nicht zugelassenen Stoff in einem Markenartikel informiert, kann das bereits zu existenzgefährdenden Entwicklungen führen, da in diesem Fall neben Verbrauchern auch Multiplikatoren erhebliches Interesse an der Information haben können. Dieser Verlauf ist schwerlich von der Behörde zum Veröffentlichungszeitpunkt einzuschätzen.
Gerade im Verdrängungswettbewerb auf dem Lebensmittelmarkt kommt auch Wettbewerbern eine nicht unbedeutende Rolle bei der Existenzgefährdung und folgender Übernahmemöglichkeit des Unternehmens zu. Eine diesbezügliche Marktanalyse können die zuständigen Behörden vermutlich nicht leisten.
Die Regelung des § 40a Abs. 4 Satz 2 LFGB verpflichtet die Behörde unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, wenn der der Veröffentlichung zu grunde liegende Mangel nach der Veröffentlichung beseitigt worden ist. Diese Regelung wird ausdrücklich befürwortet. Damit wird die Öffentlichkeit auch über die Reaktionen des Unternehmers zur Mängelbeseitigung informiert. Da diese Information unverzüglich zu erfolgen hat, ist auch eine zusätzliche amtliche Kontrolle zur Überprüfung erforderlich, da die risikobasierte Regelkontrolle den Anspruch auf Unverzüglichkeit in den allermeisten Fällen nicht zu erfüllen vermag. Daraus folgen ein zusätzlicher Personalbedarf und eine Gebührenbelastung für den Lebensmittelunternehmer.
Zusammenfassend ist bezüglich des Erfüllungsaufwandes für die Behörde festzustellen, dass für diese Aufgaben nach § 40a LFGB in den Behörden nicht ausreichend und entsprechend sachkundiges Personal vorhanden ist. Die konkrete Höhe des Mehraufwandes ist nicht unerheblich. Da ein Personalzuwachs für den Vollzugsmehraufwand nicht zu erwarten ist, wird die neue Aufgabe zu lasten der operativen Lebensmittelüberwachung gehen.
Zu Nummer 13.
Die Regelungslücke für die Probenahme, bei unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln angebotenen Erzeugnissen, wurde mit dem neuen § 43a LFGB geschlossen. Es ist zu berücksichtigen, dass geringe Haushaltsmittel für den Kauf der Proben einschließlich Gegenproben einzuplanen sind. Mit der Etablierung eines Verfahrens zur anonymisierten Kaufabwicklung entsteht in der Verwaltungsbehörde unter Beachtung der strengen Haushaltsregeln ein Erfüllungsaufwand. Die Erstattungspflicht nach § 43a Abs. 5 LFGB wird nicht in jedem Fall gegenüber dem Lebensmittelunternehmer durchsetzbar sein, insbesondere bei nicht im EU-Raum angesiedelten Unternehmen. Es entsteht ebenfalls ein Erfüllungsaufwand für die Behörde durch das Einrichten von Lagerräumen und die Beschaffung von Kühl- bzw. Tiefkühleinrichtungen für die Lagerung der Proben nach § 43a Abs. 2 LFGB.
Zu Nummer 14.
Die bislang in der Verordnung (EG) Nr. 178/ 2002 nicht geregelte Datenstruktur und Lieferfrist bedurfte dringend einer Nachjustierung. Besonders in Krisensituationen kann die Behörde nur effektiv arbeiten, wenn Daten in vorgegebenen Strukturen bis zu einer vorgegebene Frist abgefordert werden dürfen.
Dipl.-vet.-med. Toby Pintscher
1. Vizepräsident
Bundesverband der beamteten Tierärzte e.V.
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